Zu Besuch beim „letzten Lesachtaler Schuhmacher“

 

Andreas Niggler aus Liesing Nr. 28 im Lesachtal ist der „letzte Lesachtaler Schuhmachermeister“. Schon sein Vater war Schuhmacher, der nicht weniger als vierzehn Lehrlinge ausgebildet hatte, die alle selbstständige Meister wurden. Bei Andreas Niggler vulgo Pitterle absolvierten nur vier Lehrlinge die Lehre und späterhin – bezeichnend für den Wandel der Zeit – wanderten sie alle in andere Berufe ab.

 

Niggler (geb. am 5. 9. 1911) erlernte das Handwerk ab  dem Jahr 1927 im Pinzgau. Gesellenjahre folgten in Bischofshofen, Lienz und auch in Liesing, wo sein Vater bereits einen Schuhhandel in kleinem Rahmen ausübte.

 

1939 legte Niggler die Meisterprüfung ab und wurde selbstständig. Sein Vater siedelte nach St. Lorenzen im Lesachtal, um dort als Schuhmacher weiterzuarbeiten. Seit dieser Zeit betrieb Niggler als einziger im Lesachtal auch das Gewerbe des Schuhhandels in Liesing. „Arbeit gab es genug. Es gab schlechte Wege, alles ging zu Fuß – da brachte man viel und gutes Schuhwerk“, entsinnt sich der Schuhmacher. Dementsprechend waren talauf-talab genügend Schuhmacher tätig. Beim Militär war Niggler u. a. auch als „Kompanieschuster“ in Verwendung. Der Krieg führte Niggler nach Afrika und Russland. War der Schuhmacher vor dem Krieg viel und oft gemeinsam mit seinem Bruder oder einem Lehrbub auf der Stör, so kam der Handel nach 1945 immer mehr in Schwung. Auf der Stör gab es auf einem einzigen Bauernhof nicht selten Arbeit für eine ganze Woche – gegen Kost beim jeweiligen Bauern und einem Tageslohn von 3,50 Schilling; die tägliche Arbeitszeit dauerte vierzehn Stunden.

 

Mit dem zunehmenden Fremdenverkehr in den fünfziger Jahren kauften mehr und mehr Sommergäste Berg- und Wanderschuhe beim „Ledermann“ in Liesing, wie es beim Schuhmacher ebenfalls hieß. Dann, mit der Einführung neuer Materialien wie Gummi und Plastik und er Zunahme industrieller Massenproduktion von Schuhen, kam für das Handwerk und den Handel die rückläufige Entwicklung, erinnert sich Niggler, nicht ganz ohne Wehmut. Der Meister schildert die Ansprüche, die sich völlig gewandelt haben: „Heute dominiert die Mode, und er Schuh oder Stiefel hat vor allem dem Auge gefallen, früher hingegen standen andere, eigentlichere Zwecke im Vordergrund.“ Im Gegensatz zu heute wurde früher weit mehr auf Dauerhaftigkeit geachtet und auf Qualität hingearbeitet, fügt er hinzu. Im Laufe der Zeit wurde die Möglichkeit einer großen Auswahl und eines stets großen Angebotes, das sich den rasch wechselnden Moden zu fügen hatte, immer bedeutsamer. Viele kleine Schuhhändler wollten diese große Umstellung nicht mehr mitmachen oder konnten die geforderte Modernisierung nicht bewältigen. Trotz der gehobenen Ansprüche blieb Niggler ein Schumacher und –händler „alten Stils“ – bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1978. Mit der Zurücklegung des Gewerbes war damit ein weiteres wichtiges Stück „Nahversorgung“ im Lesachtal zu Ende, bedenkt man, dass früher im Tal eine viel ausgeprägtere kleingewerbliche Struktur vorhanden war.

 

Niggler übte seinen Beruf mit Leib und Seele aus. Es ist ein schönes Handwerk, weil man damit der Bevölkerung einen großen, wichtigen Dienst erwies, meint Niggler voll Überzeugung. Noch heute setzt er sich ab und zu vor die Reparaturmaschine, um aus Spaß zu werkeln. Manchmal kommt es auch noch vor, dass ein „alter Kunde“ mit einem Paar Schuhe zu ihm kommt und ihn um eine kleine Gefälligkeit ersucht.

 

Der „letzte Lesachtaler Schuhmachermeister“ will seine originelle, heimelig anmutende Werkstatt, die zugleich als Verkaufslokal diente, mit den Maschinen, Werkzeugen und den vielen so gut gearbeiteten Waren auch künftighin im altgewohnten Zustand belassen. „Vielleicht interessiert sich später einmal jemand, wie man das Handwerk betrieben und welche Schuh-Handarbeit man geschaffen hat“, überlegt Niggler. Die Werkstatt sollte nach Absicht des Meisters als ein kleines Museum erhalten bleiben, wo auch die Schuhmoden im Zeitablauf zwischen 1920 und 1980 besichtigt werden können. Nachkommende Generationen könnten mit Schuhmoden und der gediegenen (großteils händischen) Machart von einst überhaupt erst bekanntgemacht werden, da sie diese aus eigener Erfahrung wohl nicht mehr kennen.

(Die Kärnter Landsmannschaft von Karl Brunner, Heft 6/1985)

 

 

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